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Stehende Ovationen für den Neuen Kammerchor Heidenheim in der Eninger Andreaskirche

Moderne Kirchenmusik und Klangexperimente



VON GABRIELE BÖHM (Reutlinger Generalanzeiger)


ENINGEN. Von Palestrina bis Eric Clapton - der Neue Kammerchor Heidenheim hat ein breites Repertoire und sorgte am Sonntag in der zu etwa Dreivierteln gefüllten Andreaskirche für Begeisterung. Wer dort war, wird sicher noch lange über das Konzert »Passion« sprechen, das von hinreißenden Stücken, perfekter Intonation und großen Gefühlen geprägt war. Pfarrer Johannes Eißler hatte den Chor, der von seinem früheren Mitschüler Thomas Kammel aus Bad Urach geleitet wird, nach Eningen geholt. »Schön, lauter so junge Leute zu sehen«, freute sich eine Besucherin schon vor Konzertbeginn.


Der Neue Kammerchor Heidenheim besteht aus 60 Oberstufenschülerinnen und -schülern und wurde von Kammel vor 20 Jahren am musikalisch ausge richteten Schiller-Gymnasium gegründet. Jeden Samstagvormittag wird stundenlang fleißig geprobt. Kein Wunder also, dass der Chor weltweit Auszeichnungen errang, zuletzt auch bei Wettbewerben in Südafrika. »Unsere Passion ist die Kammermusik, aber auch die Gemeinschaft«, so Kammel.

Junge Komponisten

In Eningen standen Werke junger Komponisten im Zentrum. So hatte Will Todd mit »The Lord is my Shepherd«, Bestandteil seines Te Deums von 2009, ein modernes Stück Kirchenmusik geschaffen, das mit wunderschö-nen, klaren Stimmen und einer synchronen Dynamik wie aus einem Guss gesungen wurde. Am Flügel begleitete gefühlvoll und konzentriert Kvoko Kana-zawa.

Andächtig lauschte das Publikum auch bei der Renaissance- Motette » Sicut cervus« von Palestrina und dem spätmittelalterlichen Hvmnus »Ubi cari-tas« in einer modernen Fassung, bei der auch eine Solistengruppe zum Einsatz kam. Julian Hepp übernahm den Cellopart bei »Cloths of Heaven«, einer zarten Hommage an das Grabtuch Christi. Das Abendgebet » Evening Prayer« von Ola Gjeilo begann mit Saxophon (Lina Koch), Klavier und den Bassstimmen in einer sonoren Tiefe und baute sich mit dem ganzen Chor zu einem jubelnden Pathos auf. Immer wieder stellten sich die Chorstimmen um, was den Liedern viel Ausdruckskraft verlieh. Die großartige Alt -Solistin Emilia Burkart ließ bei »Trilo«, einem schwedischen Folksong, die Stimme einer Frau erklingen, die am Ufer sorgenvoll auf ihren Mann wartet, der auf dem Meer fischt. Andere Frauen traten hinzu, sie drehten sich um, die Akkorde wurden düster-dissonant. Passion, so Kammel, bedeute Leidenschaft, aber auch Leiden. Bewegend waren »Good Night, Dear Heart«, geschrieben nach dem frühen Tod eines Mädchens, und »Tears in Heaven«, das Eric Clapton nach dem tödlichen Unfall seines vierjährigen Sohns komponierte.

Diese schweren Themen interpretierten die jungen Sänger mit viel Gefühl.

Sänger mit viel Gefühl

Ein Klangexperiment war der Zyklus über die vier Elemente von Katerina Gi-mon. Der Chor stellte sich entlang der Wände auf, sodass sich das Publikum mitten im »Wasser« befand. Aus dem Chorraum erklang unter die Haut gehender Obertongesang. Der »Wind« säuselte, das »Feuer« wurde mit Fußstampfen und Schreien ausgedrückt - die Elemente können wild sein. Jedes Stück war ein Kunstwerk. Als Zugabe erklang unter anderem das emotionale Titanic-Epos » Nearer mv God to Thee« in Jazzform und ein trommelbasier-tes Spiritual aus Südafrika. Endlich durften die Zuhörer applaudieren und erhoben sich sofort von den Sitzen.

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