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AutorenbildThomas Kammel

Let´s take it nice and easy?!


Am Ende eines Probensamstags im Februar 2020 widmet sich der Neue Kammerchor Heidenheim dem Frank-Sinatra-Titel „Let’s take it nice and easy“. Dem zuzuhören, bietet einen wunderbaren Einstieg in die Idee dieses weltweit erfolgreichen Jugendchors: Aus spürbarer Freude entsteht höchste Klangqualität.

Normalerweise studieren Musikpädagoge Thomas Kammel, seine Sängerinnen und Sänger schwierigste Chorliteratur ein. Klassik und geistliche Werke aber sind nicht alles. Und: Die Herangehensweise macht’s – in der ernsten Musik ebenso wie bei diesem Sinatra-Song. „Easy! Das ist ein Körpergefühl“, gibt Thomas Kammel seinem Chor mit auf den Weg. Die Probe gestaltet sich vielfältig: den Text rhythmisch sprechen, zwischenzählen, einzelne Stimmen, schließlich tutti – um dann wieder zu feilen. „Das ist wirklich gute Musik, ihr könnt es langsam erahnen! Jetzt kommt die superschwere Stelle! Ne Sechzehntel früher! Nur ein Mini-Atemreflex – wenn ihr zu lang atmet, seid ihr raus!“ Nach und nach gewinnt das Stück, allein durch nuanciertes Singen und Interpretieren. Am Ende mutet es fast wie ein Schauspiel an.

Und der Chor? In den Gesichtern ist zu lesen, wie der Reifeprozess die Jugendlichen mitreißt; die Augen leuchten, sie singen einander zugewandt, beginnen zu wippen und lassen sich durch jeden Fortschritt weiter motivieren. Das Wesen dieses Ensembles lässt sich schwer in Worte fassen. Bei Auftritten jedoch sorgen die Lebendigkeit, Präzision, Begeisterung der Sängerinnen und Sänger im Neuen Kammerchor und ihr vielstimmiges, in unzähligen Stunden herausgebildetes Können regelmäßig für Furore. Was soll das sein? Ein Schulchor?

Es ist ein Schulchor. Und er ist vermutlich das eigentliche Lebenswerk des Kirchen- und Schulmusikers Thomas Kammel, der zuvor Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart gelehrt hatte, einen weiteren Erwachsenenchor auf ambitionierte Weise begleitet und zudem ein Deputat als Lehrer für Musik und Geschichte am Gymnasium innehat. 2005 gründet er den Neuen Kammerchor – nach besonderen Regeln: Der Anspruch ist hoch. Geprobt wird samstags, stundenlang. Den Jugendlichen ist’s recht. Es gibt erste Auftritte, weitere folgen. Immer mehr werden es, immer größer wird der Radius. Heute stehen etwa 40 Konzerte pro Jahr auf dem Programm. Die Goldmedaillen bei Wettbewerben füllen bald eine Vitrine. Es gibt Konzertreisen in alle Welt: Estland und Finnland, Brasilien, Balkan, Mexico und Guatemala, Rumänien – gefördert von Sponsoren, unter anderem durch die Heidenheimer Volksbank. 2014/15 wird der Chor vierter Patenchor des SWR Vokalensembles, im Herbst 2019 Patenchor der internationalen Bachakademie Stuttgart und der Gächinger Cantorey. Und der Nachwuchs? Bei Schulanmeldungen im Schiller-Gymnasium stehen die Kinder Schlange.

Laura und Nathanael machen 2020 Abitur und gehören langsam zum „alten Eisen“ ihres Chors. Seit Jahren zählen für sie Freude an der Musik ebenso wie die besondere Gemeinschaft: „Wir haben hier sehr gute Freunde, nirgends sonst trifft man so unterschiedliche Menschen und Charaktere aus mehreren Jahrgangsstufen.“ Es geht ihnen darum, die Menschen zu erreichen: „Sobald ich das Kleid anziehe, komme ich in Konzertstimmung“, meint Laura. Ihre Kollegin Anna hebt die Reisen hervor: „Die Kultur in Guatemala war sehr beeindruckend, durch die Gastfamilie bekamen wir tiefe Einblicke!“ Viele Ehemalige singen weiter mit, auch wenn sie anderswo leben, weil sie etwas Ebenbürtiges dort nicht finden. Toleranz und Akzeptanz werden großgeschrieben. Der Chor öffnet sich dafür über die Schule hinaus, aktuell für eine junge Rumänin. Mittlerweile gibt es zudem eine Kultur-FSJ-Stelle beim Kammerchor; der FSJ’ler bekommt die Möglichkeit, teilweise Proben zu leiten.

Die Heidenheimer Volksbank begleitet die große, nun 15-jährige Entwicklung des Chors von Anfang an. Neben den Live-Eindrücken beim jährlichen Weihnachtskonzert im CCH zählt – natürlich – finanzielle Unterstützung: 2019 etwa der Reise zum Internationalen Chorwettbewerb in Maastricht, des Konzerts „Sinfonie No. 5 ‚Return to Middle Earth’ aus ‚Herr der Ringe’, einer Konzertreise nach Rumänien und des Konzerts „Vivaldi, Corelli & Locatelli“ gemeinsam mit der Internationalen Bachakademie Stuttgart im Forum Schlosspark Ludwigsburg. Noch im Februar 2020 reisen 63 Chormitglieder nach Schio nahe Verona und realisieren dort mit über 200 italienischen Schüler/innen den Workshop „Singen im Chor“. Die für Mai 2020 geplante große Konzertreise nach Südafrika und Namibia muss dann schweren Herzens wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden, ebenso eine Reihe von Konzerten. Längst nicht alles ist einfach, schon gar nicht in diesem Frühjahr. Das afrikanische Sprichwort aber, zu lesen auf der Website des Chors, gilt auch jetzt:

„If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together“...

 

Text: Annette Schlenker - Ulm, im Frühjahr 2020

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